Zwischen Kunst und Begierde – Rückblick auf das 4. Fetisch Film Festival in Kiel
Zwischen Kunst und Begierde – Rückblick auf das 4. Fetisch Film Festival in Kiel
Eine Woche ist vergangen, seit im Traum-Kino die letzten Bilder über die Leinwand flackerten und die Preisträger des 4. Fetisch Film Festivals gekürt wurden. Noch immer hallt die besondere Atmosphäre nach, die sich vom 25. bis 29. Oktober in dem kleinen Arthouse-Kino entfaltete. Wer diese fünf Abende erlebte, begegnete einer Filmkunst, die sich jenseits kommerzieller Pornografie bewegt und stattdessen BDSM, Fetisch und alternative Sexualitäten als ästhetisches und psychologisches Terrain begreift. Das Festival hat einmal mehr bewiesen, dass es möglich ist, über Begehren zu sprechen, ohne in Klischees zu verfallen.

Kiel etabliert sich mit dieser vierten Ausgabe zunehmend als fester Ort für einen Diskurs, der andernorts oft im Verborgenen bleibt. Das Traum-Kino bot dafür den idealen Rahmen: etwa 150 Plätze, eine intime Atmosphäre und ein Publikum, das Szenekenner ebenso umfasste wie neugierige Cinephile. Hier traf man sich nicht nur, um Filme zu sehen – sondern um zu reden, zu reflektieren und Grenzen auszuloten.
Ein Programm zwischen Experiment und Emotion
Über fünf Abende hinweg zeigte das Fetisch Film Festival ein sorgfältig kuratiertes Programm aus internationalen Kurz- und Langfilmen. Dokumentationen wechselten sich mit experimentellen Arbeiten ab, während Spielfilme wie „Eine dunkle Begierde“ – mit Keira Knightley und Viggo Mortensen – auch das cineastisch interessierte Publikum ansprachen. Besonders vielversprechend wurden im Vorfeld Titel wie „Profane“ und „Tenderloin Tramp“ angekündigt, die das Spektrum zwischen Provokation und poetischer Beobachtung ausloteten. Jeder Filmblock beleuchtete andere Facetten: Polyamorie, Crossdressing, Machtdynamiken und die Vielschichtigkeit körperlicher Begehrensformen.
Dabei verstand sich das Festival ausdrücklich nicht als geschlossene Veranstaltung für Insider. Vielmehr lud es alle ein, die bereit waren, Sexualität jenseits sozialer Normen zu betrachten – mit Offenheit, aber auch mit kritischem Blick. Das Leitmotiv „safe, sane and consensual“ durchzog das gesamte Programm und gab eine klare Haltung vor: Aufklärung statt Voyeurismus, Selbstbestimmung statt Spektakel. Diese Grundhaltung machte den Unterschied zwischen einem reinen Filmfestival und einer kulturellen Plattform aus.

Nach jeder Vorstellung blieb Zeit für Diskussionen im Saal. Diese Gespräche gehörten zum Konzept und verwandelten das Kino in einen Ort des Austauschs. Hier wurde über persönliche Grenzen gesprochen, über die Darstellung von Gewalt und Lust, über Konsens und Missverständnisse. Das Publikum nutzte Bewertungsbögen, um alle gesehenen Filme in verschiedenen Kategorien zu beurteilen – eine Praxis, die später die Grundlage für die Preisverleihung bildete. So entstand eine demokratische Struktur, in der nicht eine Fachjury, sondern die Zuschauer selbst entschieden, welche Arbeiten überzeugen.
Fetisch Film Festival: Preisverleihung und Publikumsstimme
Am 29. Oktober endete das 4. Fetisch Film Festival mit der Preisverleihung im Traum-Kino. Als „Best Film of the Year“ ging Sebastiano Montresors „Vigasiosexploitation“ hervor – ein italienischer Spielfilm, der offenbar das Publikum nachhaltig beeindruckte. Die Entscheidung fiel auf Basis der Zuschauerwertungen, was dem Festival eine besondere Legitimität verleiht. Denn hier zählte nicht die Meinung weniger Experten, sondern die Resonanz derer, die sich tatsächlich auf die Filme einließen. Weitere Preise wurden in verschiedenen Sektionen vergeben, wobei die genauen Kategorien bewusst vielfältig gehalten waren, so wie hier auf Telefonsex, um dem breiten Spektrum des Programms gerecht zu werden.
Diese Art der Preisfindung unterstreicht das Selbstverständnis des Festivals als partizipatives Ereignis. Zuschauer wurden nicht zu passiven Konsumenten, sondern zu aktiven Teilnehmern eines Dialogs. Das macht das Fetisch Film Festival vergleichbar mit anderen queeren und sexualitätsbezogenen Filmfesten wie dem Pornfilmfestival Berlin – und doch bleibt es in seiner Ausrichtung eigenständig. Es setzt auf künstlerische Fetisch- und BDSM-Filme, die jenseits gängiger Darstellungen nach neuen Bildsprachen suchen.
Fazit: Ein Festival, das bleibt
Das 4. Fetisch Film Festival hat Kiel erneut als Ort für experimentelle Körper- und Sexualitätsdiskurse im Film profiliert. Es gelang dem Traum-Kino, einen Raum zu schaffen, in dem alternative Sexualpraktiken weder glorifiziert noch skandalisiert, sondern als Teil menschlicher Vielfalt verhandelt wurden. Feministische und sexpositive Stimmen in der Szenepresse lobten diese Herangehensweise – und tatsächlich zeigte sich in den fünf Festivaltagen, dass Erotik und Intelligenz, Provokation und Respekt, Kunst und Begierde keine Gegensätze sein müssen. Wer dabei war, nahm mehr mit als nur Filmbilder: eine Erfahrung, die noch nachwirkt.